Während sie ihm zufrieden nachschaut, sieht sie zwar, wie das Laub aufgewirbelt wird, aber sie hört nichts. Keinen Laut! Sie müsste doch wenigstens ein schwaches Getrappel hören! Aber da ist nichts...
Als sie eine Zeit lang gewandert ist, vernimmt sie seltsame Geräusche. Da wollen sich anscheinend zwei bemerkbar machen! Es klingt, als hätten sie einen Knebel im Mund oder lägen unter einer dicken Wolldecke.
Janni schaut sich suchend um. Da blickt sie in die aufgerissenen Münder vom Schlundmund und vom dicken Singkopf!
Wie aus weiter Ferne hört sie die Stimme des Schlundmunds: „Uns werden die Töne von den Lippen weggezogen! Wohin sie gehen, wissen wir nicht, aber die Richtung, die können wir spüren.“
„Ja“, flüstert nun auch der Singkopf und schaut aufgeregt den Weg entlang. „Irgendwo dort hinten muss es sein das Unwesen, das uns bestiehlt! So lange schon kein Morgen- und kein Abendgesang mehr hier im Wald...“
„Seid ihr denn Sänger?“, fragt Janni neugierig. Die beiden gefallen ihr sehr.
„Ja“, erklärt der Schlundmund eifrig, „der Singkopf singt den hohen Morgenton und ich sing den tiefen Abendton. So haben sich die Wesen hier im Wald immer gut in der Zeit zurechtgefunden. Aber das ist vorbei. Wir sind fast stumm.“
„Ich glaube genau wie ihr, dass wir dem Tönedieb schon ganz nahe sind“, vermutet Janni. Dann fragt sie den Schlundmund: „Darf ich mal zu dir hochklettern und Ausschau halten?“
„Oh, es ist mir sogar eine Ehre!“, freut sich der.
Aber so intensiv Janni auch guckt, sie kann beim besten Willen nichts Gefährliches entdecken. Es bleibt ihr nichts anderes übrig sie muss weitersuchen.
„Leb wohl, Waldmeisterin!“, rufen ihr die beiden wie aus einem Munde nach. „Und viel Glück für uns alle!“
Da stolpert Janni fast über ein kleines, wuscheliges Ding.
„Vorsicht!“, schreit der Kleine. „Pass doch auf!“
Zerknirscht sagt Janni: „Entschuldige! Beinahe hätte ich dich übersehen.“ Sie beugt sich zu ihm hinunter. Es ist das Iglein.
„Siehst du, genau das ist meine Angst“, stöhnt das kleine Iglein.
„Seit es hier so still ist und ich so viel Zeit zum Nachdenken habe, wird mir erst klar, was mir alles passieren könnte. Ich könnte zum Beispiel übersehen und zertreten werden so, wie eben von dir. Oder es könnten Feinde kommen.“
„Ist dir denn schon öfter etwas Schlimmes passiert?“, will Janni wissen.
„Nein, bisher nicht. Aber das kommt noch, da bin ich mir sicher. Ich habe auch schon einen Plan und du kommst mir gerade recht. Geh bitte dort hinüber zu dem Schlehenbusch und hol mir Dornen viele spitze Dornen.“
„Wozu brauchst du die denn?“
„Kannst du dir das nicht denken?“, fragt das Iglein mürrisch. „Schau mich an! Ich bin schwach. Richtige Igel haben Stacheln und können sich wehren. Ich bin weich, viel zu weich! So kann ich in diesem Schweigewald nicht bestehen.“
Janni holt die Dornen. „Und jetzt?“
„Steck sie in mein Moosfell“, ordnet das Iglein an. „Drück sie ruhig fest hinein. Es macht nichts, wenn es ein bisschen weh tut. Sie müssen stechen, sonst sind sie ja wertlos.“
Das Iglein beißt die Zähne zusammen und lässt sich alle Dornen ins Fell stecken.
„Und du meinst, das nützt was?“, fragt Janni zweifelnd. „Jetzt denkt jeder, der dich sieht, dass du angriffslustig bist. Und das stimmt doch gar nicht. Hoffentlich wirst du jetzt nicht wegen deiner Stacheln falsch eingeschätzt.“
Aber das Iglein ist ausgesprochen zufrieden mit seinem neuen Stachelpelz und bedankt sich.
„Nun können Feinde kommen!“, ruft es übermütig, „und bitte, Waldmeisterin, kümmere dich auch um das Entlein. Es schläft und schläft und bemerkt die vielen Gefahren ringsum gar nicht!“
Janni spitzt die Ohren. Sie nimmt ein Geräusch wahr gleichmäßige Atemzüge und ein schwaches Schnarchen...